Von mehreren Seiten erhalten wir die Info, dass ein weiteres Sturmtief auf uns zu hält. Böen von bis zu 60kn sind angesagt. Einmal mit dem Atlantik kämpfen? Klingt verlockend! Aber muss es gleich so extrem sein?
Wir nutzen die Flaute und das schöne Wetter, um noch mal durch zu schnaufen, aber wollen gleichzeitig so viel Strecke zurück legen, wie es nur geht, um dem Sturm vielleicht doch noch zu entgehen.
Der Wind nimmt immer mehr zu. 20 kn, dann 25 kn, 30 kn, 35 kn. Die Wellen werden höher, türmen sich hinter uns auf und die Segelfläche wird immer kleiner. Das Besan-Segel wird recht früh eingepackt, die Genua verkleinert, das Groß vom 1. ins 3. Reff reduziert, dann ebenfalls eingepackt. Jetzt steht nur noch die eine kleine Ecke der Genua und treibt uns über den Ozean. Wie geht es wohl weiter? Unter Deck haben wir noch eine Sturmfock, die kleiner und noch stabiler ist und die wir am Kutterstag hochziehen können. Wie es wohl wird, wenn der Wind noch mehr zu legt? Unsere Fantasie blüht auf:
Riesige Wellenberge türmen sich auf, brechen über dem Boot. Manche treiben uns mit enormer Geschwindigkeit nach vorne, andere drehen uns so, dass die nächste Welle von der Seite auf uns zurollt und uns quer legt.
Das Meer ist grau mit weißen Schaumkronen. An manchen Stellen sieht es aus, als würde es kochen, so sehr brodelt es. Die dunklen Wolken lassen kein Sonnenlicht durch und bringen zusätzlich noch Regen. Die Crew verzieht sich unter Deck, um hier bei heißem Tee dem Wetter zu entkommen und nicht auszukühlen. Nur einer von uns muss immer wieder hoch, Ausguck halten und prüfen, ob noch alles im Lot ist. Zu Beginn steuert unser Autopilot fleißig durch die Wellen. Doch dann das beunruhigende Alarmsignal: Jetzt heißt es selber segeln, selbst steuern. Zum Glück haben wir kurze Schichten und können uns so immer wieder abwechseln. Von unten wird man mit heißen Getränken versorgt und endlich kommt auch unsere Sturmsuppe zum Einsatz. Wer hatte eigentlich die glorreiche Idee, im Sturm Suppe zu essen, während es uns hin und her schleudert und nichts an seinem Platz stehen bleibt? Aber auch wenn der ein oder andere Schluck daneben geht, tut die heiße Brühe richtig gut. Und das wichtigste: Die Stimmung ist weiterhin gut! Zwar muss das (oder die) ein oder andere Crewmitglied etwas öfter nach frischer Luft schnappen als die anderen, aber zwei Wochen auf See helfen uns allen. Und hinzu kommt der Ausblick, dass der Wind uns stetig nach Schottland prügelt und wir bei dem Tempo schon bald ankommen.
So in etwa hätte es uns vielleicht ergehen können. Vermutlich nicht ganz so rosig, sondern etwas wilder, ermüdender und auch zermürbender. Aber dank unserer Wetterfee Lisa und all den guten Wünschen von zu Hause, sind wir dem Tief davon geeilt und kommen weiterhin ohne Mast- und Schotbruch Schottland deutlich entspannter entgegen. Auch wenn wir zwischendurch tatsächlich bis zu 35 kn Wind hatten und die Wellen deutlich größer geworden sind, kommt es uns gerade verhältnismäßig entspannt vor. Bis auf die Genua sind alle Segel eingepackt, wir fahren direkten Kurs aufs Ziel und sind fasziniert, dass auch die Seevögel um uns herum völlig entspannt die Wellen absurfen.
(Für diesen Herzinfarkt-Artikel verantwortlich: Elena)
Anmerkung Jenny:
Der stärkste Sturm kommt hoffentlich erst, wenn sie bereits im sicheren Hafen sind.
Hier noch einige Bilder von Wetterfee Lisa: