Ich (Jenny) und meine 22,5 Kilogramm Gepäck sind endlich mit einiger Verspätung angekommen. Sorry @Mama und Papa, der geliehene Koffer hat etwas gelitten.
Mattis und Lisa holten uns in Halifax am Flughafen ab. Dort trennten sich unsere Wege. Wir fuhren mit unserem Dodge Charger (leider in weiß – sonst absolutes NCIS L.A. Gefühl) zum Hilton Garden Inn. Dort hatten wir keine ganz so angenehme Nacht. Die Klimaanlage war sehr laut und ich völlig überdreht vom Flug. Dennoch war es eine sehr gute Entscheidung nicht noch in der Nacht 350 Kilometer zum Boot zu düsen.
Der nächste Morgen begrüßte uns mit Nebel. Das hielt uns aber nicht auf und wir fuhren zu „Coras“, um zu frühstücken. Lecker 😋
Im Anschluss ging es gestärkt nach Peggy’s Cove. Dort „wanderten“ wir eine kleine Runde und schauten uns den Leuchtturm und die dazugehörige Stadt an. Bei der Wanderung stolperten wir über Bärenspuren und Fell. Hier gibt es Schwarz- und „Blaubären“.
Im Anschluss fuhren wir nach Yarmouth, um das Boot zu beziehen. Dort musste Mattis erst mal das Dinghi von Regenwasser befreien, damit wir und das Gepäck trocken an Bord kommen können.
Da wir bis zu dem Wetterfenster relativ viel Zeit hatten, ließen wir es erst mal recht gemütlich angehen.
Als Nächstes segelten wir nach Salem, MA. Salem ist ein nettes kleines Städtchen, das berühmt dafür ist, einige der wenigen Hexenprozesse in den USA geführt zu haben. So wurden etwa 20 Frauen und Männer für Witchkraft verurteilt und gehängt oder zerquetscht (ich hab da nicht näher nachgefragt!). Daran wird mit Steintafeln erinnert.
Abgesehen davon wird das Hexenthema aber völlig übertrieben umgesetzt, mit ganz vielen Souvenirläden und Geisterhäusern. Eine tolle Art an diese Geschichte zu gedenken, wie ich finde.
Weiter ging es dann entlang der Küste und irgendwann entdecken wir auf der Karte eine kleine Inselgruppe namens Isles of Shoals. Also setzen wir unseren Kurs dorthin und ankerten in einer sehr idyllischen Umgebung. Außer einem Tagungshotel ist dort eigentlich nichts.
Am Samstag wollten wir dann weiter Richtung Norden. Nachdem wir langsam aus den Inseln rausgefahren waren, sank bei unserem Motor aber die Drehzahl. Also setzen wir die Segel und ich ging mal wieder in den Motorraum. Mittlerweile kann ich den Dieselfilter in 25 Minuten wechseln. Geholfen hat das aber leider nicht. Also wechselte ich auch noch den 2. Filter direkt am Motor, der allerdings völlig sauber war. Danach muss man die Dieselleitungen noch entlüften, was aber irgendwie nicht gelingen wollte. Außerdem entdeckte ich wieder ein Leck an der Einspritzpumpe und hatte plötzlich eine lose Schraube in der Hand. An dem Punkt war mir klar, dass wir das Problem nicht alleine gelöst bekommen.
Also nutzen wir unsere TowBoat US Mitgliedschaft, segelten bis zur Einfahrt von Portsmouth, NH und ließen uns von da rein schleppen. TowBoatUS organisierte uns auch direkt eine Mooringboje bei Kittery Point, ME.
Das lief alles superentspannt. Der Hafenmeister war auch direkt zur Stelle und gab uns die Telefonnummer von einem Mechaniker. Da die auch in den USA ein richtiges Wochenende haben, hatten wir erst mal bis Montag „frei“.
Am Sonntag schauten wir uns Portsmouth an. Nach einem leckeren Mittagessen und Kaffee in einem deutschen Kaffee verabschiedeten wir Fabi. Da er eigentlich gar nicht so viel Lust auf die weite Überfahrt hatte, war das schon ein paar Tage eine Idee gewesen. Der kaputte Motor hat die Entscheidung dann wohl leicht gemacht.
Am Montag früh riefen wir dann den Mechaniker an und es kam sofort jemand vorbei. James nahm dann die Einspritzpumpe mit und brachte sie zu einem Spezialisten. Am nächsten Tag waren alle Ersatzteile da und James baute die Pumpe noch am Dienstag wieder ein. Leider ließ sich der Motor immer noch nicht richtig entlüften bzw. es kommt wohl irgendwo noch Luft rein. Also baute er noch eine zusätzliche kleine Elektropumpe ein und überbrückte die anderen beiden. Leider reichte die Pumpe alleine nicht. Mit beiden Pumpen zusammen läuft der Motor dann zumindest bis 1400 rpm stabil. Damit fahren wir etwa 4kn… fertig war das Ganze dann gegen 19:30 Uhr am Dienstagabend. Danke James für die Überstunden!
So weit die sachliche Beschreibung der Reparatur. Für uns war das Ganze ein Auf und Ab: Wir sahen unser Wetterfenster dahin schwinden und mussten uns überlegen, wie wir dann alles Weitere organisieren. Am Samstag fliegt Jenny nach Halifax, um mit mir 2 Wochen Urlaub zu machen (die nicht aus Bootreparatur bestehen sollen) und Britta kommt auch, um mit Lisa noch eine Woche Urlaub zu machen. Direkt im Anschluss kommen Elena, Luki und Sascha, um mit mir über den Atlantik zu fahren. Zusätzlich wird das dadurch erschwert, dass noch eine Landesgrenze dazwischen ist… Also waren wir viel am recherchieren und telefonierten mit den Behörden, um den Ausreiseprozess zu klären. Der Ausreiseprozess via Boot aus den USA ist übrigens sehr spannend: Es gibt ihn nicht. Man kann einfach fahren. Wenn man später mal wieder in die USA fährt/fliegt, sollte man Dokumente aus einem anderen Land mitbringen, damit man nachweisen kann, innerhalb der erlaubten 90 Tage ausgereist zu sein. Naja, wenigstens ist das jetzt für uns sehr einfach und flexibel gewesen (falls jemand mal ein ähnliches Thema hat: I-94 ist das Stichwort).
Zurück zur Planung: Dienstag Abend wäre für den Wind super gewesen. Wir wollten aber nicht riskieren, einen der zahlreichen Krabbenkäfige entlang der Küste mitsamt Boje und Leine einzusammeln. Die sieht man im Hellen schlecht, im Dunkeln gar nicht.
Also war die nächste Möglichkeit Mittwoch zum Sonnenaufgang. Am Anfang sollte es noch Wind geben, später wären wir dann auf den Motor angewiesen. Allerdings bei wenig Wind, so dass die reduzierte Leistung ok sein sollte. Klar war bereits, dass wir es nicht bis Halifax, sondern nur nach Yarmouth schaffen würden. Da diese Variante im Anschluss einiges leichter machen würde, entschieden wir uns dafür.
Die Überfahrt nach Kanada
Dieses Kapitel kann ich kurz halten: Es lief alles wie geplant!
Zusätzlich sahen wir noch Wale, allerdings zu weit weg für gute Fotos. Nachdem in der 1. Nacht der Wind einschlief, waren der 2. Tag und die anschließende Nacht sehr ruhig.
Im Morgengrauen kamen wir dann bei wunderschönem Wetter in Kanada an. Wir wurden sehr nett vom Hafenmeister empfangen, riefen die Behörden an und warteten in T-Shirt und kurzer Hose auf den Besuch.
Gegen Mittag kamen dann zwei Officers vorbei, setzten sich bei uns in den Salon, checkten die Papiere, stellten ein paar Fragen und gingen wieder. Das Ganze war sehr nett und freundlich. Nun sind wir offiziell in Kanada!
Von Newport machten wir uns morgens auf den Weg in Richtung des Cape Cod Canals, der uns den weiten Weg um das Kap ersparte.
Der Weg war gemütlich, wir konnten relativ lange segeln. Am Nachmittag entschieden wir uns, den Motor zur Unterstützung einzuschalten, um noch am selben Tag durch den Kanal zu fahren. Durch den Kanal laufen starke Strömungen mit bis zu 6kn, sodass man nur durch fahren sollte, wenn man mit der Strömung fahren kann. Mit den Tidezyklen hat man also 2 Zeitfenster am Tag, das war aktuell sehr früh morgens und gegen 17-19 Uhr.
Über Nacht konnten wir dann aufgrund des ruhigen Wetters recht ungeschützt direkt hinter dem Kanal ankern.
Am nächsten Tag hatten wir dann fast gar keinen Wind und motorten gemütlich bei schönem Wetter nach Boston. Dort ankerten wir zunächst zwischen den vorgelagerten Inseln.
Am nächsten Tag fuhren wir eine Insel näher an Boston heran und machten dort an einer Mooring fest. Für die letzten 3 Seemeilen nahmen wir das Dinghi und erkundeten Boston.
Boston war wirklich schön und bisher die schönste größere Stadt, die wir gesehen haben.
Am nächsten Tag ankerten wir dann mitten im Boston Harbor.
Jetzt haben wir dann 10 Tage Zeit, um nach Halifax in Kanada zu kommen. Das wird eine eher weite Strecke. Aktuell sieht es Montag bis Mittwoch ganz gut aus, ruhiges Wetter und die Chance, zumindest einen größeren Teil der Strecke zu segeln.
Am Mittwoch waren wir dann endlich wieder ausgeschlafen und machten uns auf den Weg nach New Haven in Connecticut. Da wir absolut keinen Wind hatten, motorten wir die 4 Stunden bis dort hin. Dafür kamen wir schon vomittags an und konnten den Tag noch nutzen.
Als erstes ging es zu IKEA, um neue Bettdecken zu kaufen. Das Boot war die letzten Jahre eher in tropischen Regionen unterwegs und ist nicht gut mit Decken ausgestattet.
Weil wir recht weit außerhalb geankert hatten, fuhren wir eine größere Strecke mit dem Dinghy. Da das Dinghy aber ja etwa 3 mal so schnell fährt wie ELMY selbst, ist das eh keine schlechte Idee.
Der Laden war völlig leer, daher war der Besuch eigentlich ganz angenehm. Hätten wir einen am Anfang der Reise gehabt, wären die ersten Einkäufe deutlich leichter gewesen…
Nachmittags stand dann noch Joggen auf dem Plan und wir parkten das Dinghy an einem naheliegenden Strand. Im Norden der Halbinsel war ein schöner Park, sodass die Joggingstrecke diesmal ganz nett war.
Donnerstag: New London, CT
Auf dem Weg nach New London brauchten wir zum ersten Mal so wirklich unser Radar. Mit ein bisschen Übung hat das auch ganz gut funktioniert und wir haben viele Boote deutlich vorher auf dem Radar als „in echt“ gesehen.
Diese Strecke konnten wir endlich auch mal überwiegend segeln. Für die letzten zwei Stunden schalteten wir dann noch den Motor an. Mit Segel, Motor und Strömung in die richtige Richtung fuhren wir dann 8-9kn!
New London hat viel vom Charme des beginnenden 20. Jahrhunderts behalten. An der Uferpromenade fährt ein Zug lang (der auch nicht so viel neuer aussieht…) und dahinter reihen sich Backsteinhäuser. Auf der anderen Seite liegen viele Industrie- und Hafenanlagen mit regem Fähr- und Frachtverkehr.
Die Stadt selber war irgendwie sehr nett mit einigen ungewöhnlichen Läden. Zum Beispiel einem Buchladen, in dem man auch Kaffee, Tee und Pflanzen bekam sowie einem Fairtrade-Store in dem abends noch eine Poetry-Veranstaltung war. Im alten U.S. Customs House ist ein Museum, das von einer Stiftung betrieben wird. Im Erdgeschoss waren Modelle von einigen Schiffen und den drei Leuchttürmen um New London, die auch von dieser Stiftung betrieben werden.
Im Obergeschoss war eine Ausstellung über das Sklavenschiff Amistad. Die Geschichte von diesem Schiff ist sehr interessant und gibt einen guten Einblick in die beginnende Abschaffung der Sklaverei. Ich kann nur empfehlen, sich das mal ausführlich durchzulesen, aber ganz kurz:
Die Amistad sollte einige Sklaven nach Cuba bringen. Allerdings wehrten sich die Gefangenen und übernahmen die Kontrolle des Schiffs. Da sie aber keine Seefahrer waren und die überlebenden Weißen an Bord nicht so richtig mithalfen, irrte das Schiff lange herum, bis es schließlich vor New England gesichtet und nach New London gebracht wurde. Die Spanier forderten natürlich ihre Sklaven zurück. Das Versklaven von freien Menschen war zu dieser Zeit international aber schon verboten (man durfte Sklaven und deren Kinder aber behalten). Da die ankommenden Afrikaner gar kein Spanisch konnten, wurde man in New London aber misstrauisch und vermutete, dass diese Menschen vorher gar keine Sklaven waren. Und so begann der erste Gerichtsprozess in den USA um die Freiheitsrechte von schwarzen Menschen.
Als nächstes liefen wir noch zu einem naheliegenden Fort. Das war zwar noch geschlossen, da die Saison noch nicht begonnen hat, aber wir konnten durch den Park außenrum laufen.
Freitag: Newport, RI
Am Freitag wollten wir unbedingt nach Newport, um dort noch etwas Zeit zu haben um Dinge zu erledigen und die Stadt anzuschauen. Newport gilt als die Segelhauptstadt der USA und soll auch sonst ganz hübsch sein.
Der Wetterbericht sagte leichten Wind (und damit Welle) von vorne voraus, ich hatte allerdings diesmal das Gefühl, dass wir ein gutes Timing für die Strömung haben sollten. Diese Erwartungen stellten sich als richtig heraus, und so hatten wir, überwiegend mit Motor, eine abwechlungsreiche Fahrt mit 4-8 kn Geschwindigkeit je nach Welle und wie stark die mitlaufende Strömung gerade war.
Gegen 15 Uhr kamen wir dann in Newport an, wir ließen das Dinghi herunter und beschlossen noch die neue Bettwäsche von IKEA zu waschen. Danach gingen wir noch leckere Pizza essen.
In Newport war übrigens richtig was los! Das ist seit New York City das erste Mal gewesen, dass wir nicht das Gefühl hatten, völlig außerhalb der Saison zu sein.
Samstag: immer noch Newport
Am Samstag stand dann das große Erkundungsprogramm auf dem Plan. Nach dem Frühstück ging es los und wir liefen zunächst zum Beginn des Cliff Walks. Dieser Weg führt entlang der Küste über private Villengrundstücke. Da hat einmal in den USA das öffentliche Interesse über die Reichen gesiegt!
Der erste Teil war noch asphaltiert und erstaunlich gut besucht. Nach einigen Kilometern kam jedoch eine temporäre Sperrung, sodass wir weit außen herum laufen mussten. Danach wurde es dann auch deutlich leerer.
Für den Rückweg wollten wir eigentlich ein Lyft/Uber bestellen, leider hatte aber T-Mobile mal wieder keinen Empfang und das Datenvolumen auf meiner AT&T Karte war wohl aufgebraucht, sodass das nicht funktionierte… Wir liefen also noch die 4km zurück und hatten dann am Ende 15km auf der Uhr!
Völlig platt suchten wir ein Café mit Mittagessen auf. Danach erledigten wir noch unseren Einkauf. Zurück am Boot hatten wir unseren Mittagsschlaf dringend nötig!
Am späten Nachmittag machten wir uns noch mal auf den Weg, um für mich eine neue Segelhose zu kaufen. Meine Regenhose vom Wandern ist für das Segeln völlig ungeeignet, da sie auf Dauer beim Sitzen nicht dicht ist und hinten das Wasser reinlaufen kann. Außerdem wurde dort die Robustheit dem niedrigen Gewicht geopfert. Aufgrund des Sales bei Helly Hansen eskalierte der Einkauf allerdings etwas und ich habe jetzt viele neue warme Klamotten.
Den Sonntag ließen wir sehr ruhig angehen. Am Nachmittag waren wir noch an Land, um zu waschen und nach neuer Bettwäsche zu schauen. Das amerikanische Konzept von Bettwäsche ist irgendwie etwas anders und wir haben das erst mal vertagt.
Abends hab ich dann den neuen Riemen am Radar eingebaut. Dafür hatten wir bei Amazon für 10€ einen PU-Riemen gekauft, den man dann selber noch zuschneiden und zusammenlöten muss. Dafür haben wir ein Metallstück (Bohrer) mit der Heatgun erhitzt und damit die Enden des Riemens verschmolzen.
Am nächsten Tag gingen wir morgens noch zum 30 Minuten entfernten Supermarkt, der wirklich super war (viel besser als der am Steg).
Mittags legten wir ab und konnten unsere Tagesstrecke unverhofft segeln 🙂
Wir ließen den Anker vor einer Naturschutzinsel (Norwalk Islands) fallen und genossen den Sonnenuntergang. Die Ruhe blieb aber nicht lang und ab 23 Uhr wurde ich von starken Wellen aus dem Schlaf gerissen. Die Instrumente verrieten, dass wir konstant 16-18kn Wind hatten – und das aus der ungeschützten Richtung. Angesagt waren übrigens 5kn, in Böen 10kn…
Wir entschieden uns trotzdem, die Nacht über da zu bleiben und zogen auf die Couches im Salon, da es sich dort nicht ganz so nach Achterbahn anfühlte.
Am nächsten Morgen brachen wir dann auf. Unser eigentliches Ziel, New Haven, CT, lag genau entgegen Welle und Wind – das gaben wir schnell auf. Also setzen wir die Segel und fuhren am Wind einmal auf die andere Seite des Long Island Sound und suchten Schutz in der Smithtown Bay. Dort verbrachten wir den Tag vor allem mit Essen und schlafen. Ich hab dann noch den Generator-Ölwechsel erledigt.